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Über 70.000€ Fördervolumen – 20% allein in Hochmoor – Bürgerstiftung zieht nach knapp sechs Jahren Bilanz
Im Juni 2015 wurde die Bürgerstiftung in der Glockenstadt Gescher gegründet. Inge Schnieder und Thomas Rudde ziehen im Interview mit Jürgen Schroer Resümee: 42 geförderte Projekte. Davon 8 in Hochmoor. 70.000€ Fördervolumen, über 20% der Fördersumme in den Ortsteil Hochmoor. Das Interview im Detail:
- Knapp sechs Jahre nach ihrer Gründung – wo steht die Bürgerstiftung in der Glockenstadt Gescher heute?
Thomas Rudde: Wir sind Teil des Gescheraner Lebens geworden und haben seit der Gründung im Jahr 2015 mehr und mehr an Fahrt aufgenommen. Das kann man auch daran erkennen, dass uns inzwischen regelmäßig Anfragen auf Projektunterstützungen erreichen. Das war zu Anfang deutlich anders. Wir merken, dass wir über eine aktive Beteiligung am öffentlichen Leben, z. B bei den Feierabendmärkten, und eine regelmäßige Berichterstattung über unsere Aktivitäten in Print- und sozialen Medien als eine Bereicherung wahrgenommen werden. - Wie viele Projekte haben Sie bereits unterstützt? Und mit welcher Spendensumme?
Inge Schnieder: Es sind 42 Einzel-Projekte, die wir seither unterstützt haben oder für die Förderungen bereits zugesagt sind. Das Fördervolumen hierfür beträgt immerhin stolze 70 T€. Hinzuzurechnen sind noch die eigenen Projekte der Bürgerstiftung, wie z.B. die Klassik-Konzerte, Ausstellungen, Foto-Adventskalender zur Weihnachtszeit, das Gescher Summer OpenAir 2020 und weitere. Mit diesen eigenen Aktivitäten unterscheiden wir uns von rein finanziell fördernden Stiftungen. Auch dadurch glauben wir, konnten wir bis heute gut 83 TEUR an Spenden entgegennehmen. - Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die Arbeit der Bürgerstiftung aus? Schließlich sind Veranstaltungen, mit denen sich Einnahmen generieren lassen, zurzeit nicht möglich.
Thomas Rudde: Natürlich fehlen auch uns die Veranstaltungen – ganz besonders die Feierabendmärkte. Aus den nicht unerheblichen Erträgen aus dem Getränkeverkauf konnten wir eine Vielzahl von Projekten unterstützen. Gleichwohl ist die Bereitschaft zur Unterstützung – insbesondere auch aus der Gescheraner Geschäftswelt – weiterhin hoch. Das haben wir in 2020 ganz besonders bei der Organisation des „Gescher Summer OpenAir“ gemerkt. Es gibt uns Rückenwind zu spüren, dass unsere Aktivitäten auch auf diese Weise wertgeschätzt werden. Dafür können wir nur dankbar sein.
Inge Schnieder: Die operative Arbeit der Stiftung ist durch die Pandemie übrigens kaum beeinträchtigt. Vorstandssitzungen finden derzeit in Form von Zoom-Videokonferenzen statt. Wir haben auch ausreichend Themen auf der Tagesordnung. Erstaunlicherweise hat die Anzahl an Anträgen in der Corona-Krise eher zugenommen. - Wie kann man überhaupt Anträge stellen? Und wofür?
Inge Schnieder: Wir haben auf unserer Homepage sowohl eine Vorabanfrage als auch den ausführlichen Förderantrag zum Download hinterlegt. Natürlich kann man uns auch sehr gerne persönlich zu einem Vorhaben fragen. Das passiert in der Praxis auch oft. Was wir fördern können regelt unsere Satzung. Wir haben uns bei der Gründung zunächst bewusst sehr breit aufgestellt und viele Förderzwecke eingeschlossen. Dadurch konnten wir bis bislang bis auf wenige Ausnahmen auch alle Anfragen positiv entscheiden. In den wenigen Fällen der Ablehnung hatten die Anträge meist keinen Bezug zum Gebiet der Glockenstadt Gescher oder ihren Bürger/innen. - Wer entscheidet, welche Anträge angenommen und in welcher Höhe sie bezuschusst werden?
Thomas Rudde: Darüber entscheidet der Vorstand in seinen Sitzungen, die in der Regel monatlich stattfinden. Hier wird dann durchaus auch mal kontrovers diskutiert und am Ende demokratisch abgestimmt. Zur Höhe der Förderung gibt es keine feste Formel. Da lassen wir immer die Gesamtumstände mit einfließen. Wichtig ist uns nur, dass auch ein entsprechender Eigenanteil vom Antragsteller getragen wird oder Eigenleistungen erbracht werden. - Welche Projekte hat die Bürgerstiftung aktuell in der Pipeline?
Inge Schnieder: Deutlich wahrzunehmen sind gerade die 17.000 Narzissen an vielen markanten Standorten in Gescher und Hochmoor, die jetzt kurz vor der Blüte stehen. Ziel war es, für jede/n Bürger/in eine Narzisse zu pflanzen. Über 40 Gruppen haben hierbei mitgewirkt – das war eine tolle Resonanz für uns.
Aktuell haben wir beschlossen, uns bei der Digitalisierung des D(T)orfmuseums und der Anschaffung einer Nestschaukel für den Grundschulstandort Hochmoor finanziell zu beteiligen. Auch der FC Fiat kann für den Aus- und Umbau der Sportstätte in Tungerloh-Capellen auf unsere Unterstützung bauen.
Thomas Rudde: Aber auch ein schon lange an uns herangetragener Wunsch – und damit ein eigenes Projekt der Bürgerstiftung – scheint endlich in 2021 realisiert werden zu können: ein aus 10 Elementen bestehender Niedrigseilgarten. Ein Förderantrag ist bei der VitalRegion BerkelSchlinge gestellt. Sobald wir hier sprechfähig sind, werden wir detailliert über unser Herzensprojekt berichten.
Weitere Themen, die uns beschäftigen sind die Neugestaltung des Stadtparks, zeitgemäße digitale Ortseingangstafeln und natürlich auch das Berkeltal, wenn es hier zu einer Überarbeitung kommt. Eine Neuauflage des „Gescher Summer OpenAir“ in Verbindung mit dem Stadtmarketing und der Bücherei ist für 2021 ebenfalls geplant. Und sobald es möglich ist, freuen wir uns auch wieder auf Feierabendmärkte oder die von uns organisierte Klassik-Konzertreihe „Prosecco, Kerzenschein und Klassik“(hier eventuell eine ergänzende Nachfrage, beispielsweise zum Standort Niedrigseilgarten) - In der andauernden Nullzinsphase ist es schwierig, Erträge zu erwirtschaften. Wie ist das Stiftungskapital angelegt? Und wie wichtig sind Spenden, um Projekte finanziell unterstützen zu können?
Thomas Rudde: Ja das ist eine Herausforderung! Grundsätzlich muss unser Stiftungskapital werterhaltend angelegt sein, und nur ein begrenzter Teil darf Wertschwankungen unterliegen. Um aber überhaupt Renditen erzielen zu können, haben wir zum einen langlaufende Anlagen getätigt, zum anderen aber auch Fondsanlagen beigemischt. Eine gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Kreditinstituten ist uns dabei ein Anliegen – daher ergänzen seit einiger Zeit auch Genossenschaftsanteile der örtlichen Volksbanken unsere Anlagestrategie.
Inge Schnieder: Eins ist aber auch klar – die erzielten Renditen benötigen wir schon, um den Wert des Stiftungskapitals inflationsbereinigt auch real zu erhalten. Projekte oder Vorhaben können dadurch nur in sehr geringem Ausmaß gefördert werden. Daran ist sehr leicht zu erkennen, wie wichtig neben Erträgen aus eigenen Veranstaltungen auch Spenden für uns sind! Da sind wir für große und kleine Zuwendungen immer sehr dankbar. Das letzte Gescher Summer OpenAir hätte z. B. ohne die vielen Spenden nicht stattgefunden. - Geld ist das eine, Manpower das andere. Haben Sie genügend Leute, die sich in den Gremien und Projektgruppen engagieren? Wo wird Verstärkung benötigt?
Thomas Rudde: Das ist ein Punkt, der uns auch wirklich sehr am Herzen liegt. Genauso wertvoll wie finanzielle Unterstützung ist ein persönliches Mithelfen bei Projekten oder Veranstaltungen. Wir sind eine Bürgerstiftung, in der ein jeder sehr willkommen ist. Jegliche Unterstützung hilft uns – ob einmalig zu einem Projekt oder langfristiger beispielsweise in einer Projektgruppe oder dem Helferteam. Für eine Mitarbeit braucht es keine Voraussetzungen und keiner soll Scheu haben, auf uns zuzugehen. Wir freuen uns über jeden, der Spaß und Freude daran hat, in der Stiftung mitzuwirken. - Welche Möglichkeiten eröffnet das Vereinsnetzwerk, das die Bürgerstiftung angestoßen hat?
Inge Schnieder: Das Vereinsnetzwerk zu pflegen und zu aktualisieren ist aus der Idee entstanden, die Bürgerstiftung in den einzelnen Vereinen und Gruppierungen vorzustellen und bekannter zu machen. Wir haben schnell gemerkt, dass sich viele untereinander kaum oder gar nicht kannten oder Ansprechpartner unbekannt waren. Viele waren positiv überrascht, wie vielfältig wir in unserer Stadt aufgestellt sind. In einem ersten Schritt, wurde vorgeschlagen, sich zumindest einmal jährlich auszutauschen. Für aktuelle Infos wurde eine WhatsApp-Gruppe eingerichtet, denn von einer besseren Koordination der Aktivitäten und Termine werden alle profitieren. Damit das gelingt, sind aber alle angehalten, sich aktiv mit einzubringen und zugegeben … es ist noch etwas Luft nach oben. Aber gerade hier sehen wir auch die Stadt Gescher mit in der Verantwortung, ein solches Netzwerk aktuell zu halten und regelmäßige Austausche zu organisieren. - Warum engagieren Sie sich für die Bürgerstiftung?
Inge Schnieder: ich habe Spaß daran, mich ehrenamtlich für Gescher einzubringen. In die Bürgerstiftung bin ich zu Anfang erstmal „reingeschlittert“. Ich habe aber schnell gemerkt, dass wir für Jung und Alt viel bewegen können. In meinem Empfinden ist die Bürgerstiftung eine echte Bereicherung für unser Gescher.
Thomas Rudde: Gescher ist meine Heimat. Ich fühle mich hier sehr wohl du lebe gerne hier. Daher ist die Bürgerstiftung für mich eine gute Möglichkeit, etwas für meine Heimatstadt zu tun. Mir geht es persönlich sehr gut und dafür bin ich dankbar. Deswegen bringe ich mich gerne in die Stiftungsarbeit ein, um so vielleicht etwas an die Gesellschaft zurück zu geben. - Was gibt Ihnen dieses ehrenamtliche Engagement?
Beide: Es gibt uns ein gutes Selbstgefühl – wir merken, dass unsere Arbeit anerkannt und wertgeschätzt wird. Zudem sind aus der Arbeit in der Stiftung viele neue Kontakte und auch Freundschaften entstanden. Das möchten wir beide nicht mehr missen. Ein wenig zufrieden macht es uns auch, wenn wir sehen, was bisher schon geschafft wurde. Wir wünschen uns und hoffen, dass das in der Zukunft auch weiterhin so gelingt.